Stefanie Ritzmann liebt das Leben. Mit allen Höhen und Tiefen. Es hat doch so viel Schönes zu bieten, sagt die 51-Jährige. Und vor dieser Schönheit die Augen zu verschließen und sich als Opfer zu fühlen, das sei doch dumm. Stefanie Ritzmann ist an einem Schalttag auf die Welt gekommen, dem 29. Februar 1960. Mit viel zu kurzen Beinen und Armen, ohne Ellenbogen und ohne Daumen. Ihre Mutter hatte während der Schwangerschaft das neue Beruhigungsmittel Contergan eingenommen. Sie war 21 und mit der Situation völlign überfordert. Nur wenige Tage nach der Geburt kam Stefanie in ein Säuglingsheim. "Meine Eltern waren nicht in der Lage, mich bei sich aufzunehmen", erklärt die Karlsruherin ohne Bitterkeit. Bitterkeit kommt während des gesamten Interviews über ein Leben mit Contergan, über das Anderssein, die Folgeschäden, über das Unternehmen Grünenthal kein einziges Mal auf. Nur auf die Frage, ob es überhaupt eine Geldsumme gebe, die für das Leid entschädigen könnte, wird Stefanie Ritzmann kurz heftig: "Wer sagt denn, dass ich leide?"
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"Auf Kosten unserer Seele"
wissen.de: Am 27. November 1961 hat die Firma Grünenthal das Beruhigungsmittel Contergan vom Markt genommen. Zuvor hatten Tausende von Müttern in Deutschland schwer behinderte Kinder auf die Welt gebracht. Haben Sie Ihrer Mutter jemals einen Vorwurf gemacht, dass sie die Tabletten genommen hat?

wissen.de: Der Pharmakonzern Grünenthal hat die starke Körperbehinderung und gravierende organische Schäden bei Tausendenen von Menschen verursacht. Viele Babys sind gleich nach der Geburt gestorben, weil sie nicht lebensfähig waren. Einige erwachsene Contergangeschädigte haben Selbstmord begangen. Auch für Ihre starke körperliche Behinderung ist Grünenthal verantwortlich. Welche Haltung haben Sie gegenüber dem Konzern?