Die Lage
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist prekär: Das einstige Musterland weist eine Arbeitslosenquote von 9,4% auf und bildet damit mit Frankreich und Spanien das Schlusslicht unter den Industrienationen. Für den Jahresbeginn 2004 prophezeien Experten erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik einen Anstieg auf mehr als 5 Mio. Arbeitslose. Das Bruttoinlandsprodukt ist mit 0,4% realem Wachstum in keinem EU-Staat niedriger als in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit kann nur bei gesunder Konjunkturlage abgebaut werden, das geringe Wirtschaftswachstum und die steigende Staatsverschuldung verschärfen die Lage jedoch zusätzlich.
So funktioniert es bisher
Die steigenden Sozialabgaben haben den Faktor Arbeit kontinuierlich
verteuert, da das deutsche Sozialleistungssystem - und damit auch die
Arbeitslosenversicherung, deren Beitrag bei 6,5% des Bruttolohns liegt -
in erster Linie durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Lohnnebenkosten
finanziert wird. Das wenig investitionsfreundliche Steuersystem (siehe Factsheet
Finanzen) und die starren Regelungen zu Arbeitszeit, Kündigungsschutz
sowie Tarif- und Gewerberecht verhindern unternehmerisches Risiko und Industrieansiedlungen
aus dem Ausland. Zudem bilden Gewerkschaften und Arbeitgeber eine machtvolle
Lobby, die weitreichende Neuansätze gegen die Interessen ihrer Klientel
blockiert. So wird der allseits beklagte Reformstau nur in kleinen Schritten
abgebaut.
Ein weiterer Kernpunkt der Kritik ist die Arbeitsvermittlung,
sie wurde bislang von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und
den Landesarbeitsämtern gesteuert. Der interne Verwaltungsapparat dieser
Anstalten nimmt inzwischen mehr Arbeitskräfte in Anspruch als für
die Vermittlung von Arbeitslosen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus
verpufft ein Großteil der verfügbaren Finanzmittel der Anstalten
in Arbeits- und Weiterbildungsmaßnahmen, die häufig nur das Ziel
haben, Arbeitslose kurzzeitig aus den Arbeitslosenstatistiken streichen zu
können. Fazit: Arbeitslosigkeit wird verwaltet statt wirksam bekämpft.
Arbeitslose
erhalten, bei erfüllten Voraussetzungen, bisher zunächst Arbeitslosengeld
- 67% des durchschnittlichen Nettolohns der letzten zwölf Monate
bzw. 60% bei kinderlosen Arbeitslosen. Die maximale Leistungsdauer beträgt
ein Jahr (bis zum Alter von 45 Jahren) bzw. bis zu 32 Monaten (ab 45 Jahren,
gestaffelt; nach der Neuregelung im September 2003 nur noch maximal 18 Monate).
Nach dieser Zeit folgt, bei nachgewiesener Bedürftigkeit, die zeitlich
unbegrenzte Arbeitslosenhilfe - 57% des letzten durchschnittlichen Nettolohns
bzw. 53% bei kinderlosen Arbeitslosen. Die Bemessungsgrundlage wird jährlich
um 3% gekürzt. Wer die Voraussetzungen für die Arbeitslosenhilfe
nicht erfüllt, erhält Sozialhilfe (rd. 2,7 Mio. Menschen).