Die Neolithische Revolution9000 v. Chr. – 5500 v. Chr.
Mit der weltweiten Klimaverbesserung
vor ca. 10 000 Jahren wandelte sich die wirtschaftliche Grundlage der
Menschheit. Die konsequente Umwälzung aller Lebensbereiche wird als Neolithische
Revolution bezeichnet. Durch die Domestikation von Wildtieren und -pflanzen
beherrschte der Mensch erstmals seine Nahrungsmittelproduktion. Die daraus
resultierenden komplexen und sesshaften Überflussgesellschaften lebten
in zunehmend größeren Siedlungen. Wachsender Reichtum und neue
Leistungen des Kunsthandwerks, vor allem die Keramik, führten zur Erweiterung
des Handelsnetzes und waren Kennzeichen der Vorstufe zu den späteren
Hochkulturen.
Ackerbau und Viehzucht
Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor
10 000 Jahren und den ansteigenden Temperaturen und Niederschlagsmengen
änderten sich weltweit radikal die Umweltbedingungen. Der Mensch konnte
zuvor unwirtliche Räume besiedeln. Durch den gleichzeitigen Verlust des
Lebensraumes der Großwildherden musste er sich jedoch andere Nahrungsgrundlagen
erschließen. So begann er, mit Hilfe neuer Techniken die vorhandenen
Quellen kontrolliert zu nutzen. Der Ackerbau entstand nahezu zeitgleich und
unabhängig voneinander in verschiedenen Regionen der Erde. Als ältestes
Agrargebiet gilt der „Fruchtbare Halbmond“, der sich mit mehr
als 250 mm Niederschlag pro Jahr vom Persischen Golf über den Nordrand
Syriens bis nach Ägypten zieht. Zuerst existierte dort zwar das intensive
Sammeln von Wildgetreide, aber schon um 8000 v. Chr. wurden u. a.
die Vorgänger von Weizen, Gerste und einigen Hülsenfrüchten
kultiviert. Spätestens ab dem 7. Jahrtausend ist der Ackerbau auch für
Mittel- und Südamerika belegt, den Ursprungsgebieten von Mais und Tomate
bzw. Bohne und Kartoffel. Als nur wenig später auch China und Südostasien
mit dem Hirse- bzw. Reisanbau agrarisch geprägt wurden, dominierte in
Australien noch die Verarbeitung von wilder Hirse. Die Viehzucht wies ebenso
regionale Unterschiede auf. In Mesopotamien traten bereits um 9000 v. Chr.
Schafe auf, während die in der Levante bevorzugten halbwilden Gazellen
erst zweitausend Jahre später durch domestizierte Ziegen verdrängt
wurden. Zeitgleich wurde in der südlichen Türkei das Schwein gezüchtet,
und um 6000 v. Chr. setzten sich zahme Rinder sowohl im nordafrikanischen
als auch im ägäischen Raum durch. Die neue Wirtschaftsgrundlage
breitete sich schnell aus. Im 7. Jahrtausend gelangten Weizen und Gerste von
Anatolien nach Pakistan, und der Ackerbau erreichte den Balkan. Da dort Anbaumethoden
und Getreidearten an das Klima angepasst werden mussten, wurde anfangs noch
eine Mischung aus Ackerbau, Viehzucht, Jagd, Fischfang und Sammeln betrieben.
Die ersten agrarischen Siedlungen Süditaliens waren ab 6200 v. Chr.
auf direkte Einwanderung vom Balkan zurückzuführen.
Handwerk
Die große Produktivität dieser
neuen Wirtschaftsform war die Grundlage der Versorgung einer wachsenden sesshaften
Bevölkerung. In den größeren Siedlungen konnten nun Menschen
ernährt werden, die nicht mit der Nahrungsmittelproduktion beschäftigt
sein mussten. So entstand in den erstmals sozial differenzierten Gesellschaften
das Handwerk, das altbekannte Gegenstände wie Steinwerkzeuge oder Schmuck
mit mehr Sorgfalt herstellen konnte, aber auch neue Fertigkeiten wie die Töpferei
und schließlich die Beherrschung des Metalls entwickelte. Der Höhepunkt
und Ausklang des Neolithikums wurde in Mesopotamien ab 6000 v. Chr. erreicht.
Viele Dörfer der Samarra-Kultur befanden sich jenseits der Zone des Regenfeldbaus,
so dass nur die neue Technik der Bewässerung die Erschließung dieser
Regionen und die Ausdehnung bei wachsendem Bevölkerungsdruck ermöglichte.
Die zeitgleiche Hassuna-Kultur verfügte bereits über die Fertigkeit
der Metallbearbeitung und hatte so den bedeutendsten Schritt auf dem Weg zur
ersten, bäuerlichen Hochkultur gemacht.
Çatal Hüyük
Eine der bestuntersuchten Siedlungen
des Neolithikums ist das um 7000 v. Chr. gegründete anatolische.
Seine gut organisierte Gesellschaft verfügte über ein ausgeprägtes
Kunsthandwerk. Außer Wohnhäusern gab es mit Wandmalereien geschmückte
Kultbauten, die neben den am Wohnplatz angelegten Begräbnisstätten
auf einen Ahnenkult schließen lassen. Zwar bezeugen Brotöfen den
Ackerbau, doch spielte die Jagd weiterhin eine wichtige Rolle. Das weit gespannte
Handelsnetz reichte bis in Gebiete am Roten Meer, aus denen Kaurimuscheln
importiert wurden. Kupferschmelzen dokumentieren die früheste Metallverarbeitung
im Nahen Osten. Eine Folge des steigenden Wohlstandes war die Notwendigkeit,
die Siedlungen gegen Feinde zu schützen. Dies verdeutlichen die in Jericho
gefundenen Befestigungen.
Bandkeramik
Die früheste bäuerliche Kultur
Mitteleuropas waren die Bandkeramiker, die ab 5400 v. Chr. den Kontinent
in wenigen Jahrtausenden von Ungarn bis in die Niederlande kolonisierten.
Im Gegensatz zu der im Mittelmeerraum ausgeübten Ziegen- und Schafhaltung
betrieben sie die Zucht von Rindern und Schweinen, die als Wildformen in den
natürlichen Waldlandschaften vorkamen. Während die Grabbeigaben
der Bandkeramiker Kontakte zu Gruppen der Ägäis und der Adria belegen,
befanden sich die Menschen im äußersten Norden und Osten Europas
noch auf der Stufe der Jäger und Sammler. In Australien blieb der Ackerbau
ebenfalls unbekannt, da aufgrund der geringen Niederschlagsverlässlichkeit
kein Motiv zu seiner Entwicklung gegeben war. Andere neolithische Merkmale
wie die intensive Nutzung der Meeresfauna oder Handel mit Rohmaterial über
Distanzen bis zu 800 Kilometern kamen aber auch dort vor.