Kreta und Mykene2000–1200 v. Chr.
Die kretische oder minoische
Kultur (nach dem sagenhaften König Minos) dominierte im Mittelmeer von
etwa 2000–1400 v. Chr. und wurde von der mykenischen, festlandsgriechischen
Kultur abgelöst. Trotz der Entzifferung der als Linear-B bezeichneten
jüngeren Schrift liegen weite Bereiche dieser Kulturen noch im dunkeln.
Insbesondere die Datierung bringt Probleme mit sich, da sie nur relativ ist
und auf archäologischen Funden basiert. Die ausgegrabenen Palast- und
Burgruinen sowie die Kunstgegenstände belegen aber den hohen Kulturstand
von Kreta und Mykene sowie die ausgedehnten Handelsbeziehungen der Kulturen.
Erste Palastzeit
Die erste Palastzeit setzte auf Kreta
um 2000 v. Chr. ein. Die Kulturträger wanderten vermutlich gegen
7000 v. Chr. aus Kleinasien ein und gründeten während der kretischen
Frühzeit (2600–2000 v. Chr.) feste, stadtähnliche Ortschaften.
Um die Agglomerationspunkte der Siedlungen entstanden nun Paläste, die
als wirtschaftliche, politische und religiöse Zentren fungierten. Fünf
dieser Bauten sind bisher bekannt (Knossos, Kato Zakros, Mallia, Phaistos
und Hagia Triada). Ermöglicht wurde dieser Aufschwung wahrscheinlich
durch die Zerstörung des mächtigen kleinasiatischen Troja II
um 2200 v. Chr. und dem Niedergang der Kykladenkultur auf den Ägäischen
Inseln. Die minoischen Herrschaftszentren verfügten über eine eigene
Flotte, die in den folgenden Jahrhunderten das Mittelmeer beherrschte und
die weit reichenden Handelsverbindungen schützte. Ägypten, die syrischen
Küstenstaaten, das griechische Festland und wahrscheinlich auch der westliche
Mittelmeerraum standen den kretischen Händlern offen. Erdbeben und Flutkatastrophen
sowie nachfolgende Feuersbrünste beendeten diese erste Blütezeit
und zerstörten die Paläste um 1700 v. Chr.
Kretische Kultur
Der Wiederaufbau wurde offenbar sofort
in Angriff genommen und mündete in noch prachtvollere Palastbauten. Die
Verwaltung wurde ausgebaut und ermöglichte eine neue Hochphase der Machtentfaltung,
die ihren Höhepunkt im 16. Jahrhundert v. Chr. fand: Kreta
stand auf dem Gipfel seiner Macht. Es besaß Handelsstützpunkte
auf Ägina, Keos, Kythera, Melos, Rhodos, Thera und in Milet. Handelskontakte
reichten im Westen bis zu den Lipardischen Inseln nördlich Sizilien und
im Osten bis zum Mitanni-Reich im mesopotamischen Raum. Für das 15. Jahrhundert
v. Chr. lassen sich erste mykenische Einflüsse nachweisen, die sich
u. a. in der Anlage von bisher auf Kreta unbekannten Kriegergräbern
dokumentieren. Daneben ist eine Änderung im Kunststil des Palastes von
Knossos zu beobachten, der vielleicht eine Art Hauptzentrum war. Einschneidendste
äußere Veränderung war jedoch die Überformung der seit
1700 v. Chr. gebräuchlichen Linear-A-Schrift (noch nicht sicher
entziffert) durch Linear-B. Wahrscheinlich haben achäische, mykenische
Griechen in ihrer Eigenschaft als Schreiber auf Kreta die minoische Schrift
der frühgriechischen angepaßt. Parallel zu diesen Veränderungen
vollzog sich ein erneuter Niedergang, der möglicherweise durch einen
Ausbruch des Vulkans auf Santorin verursacht wurde (um 1500 v. Chr.).
Ungeklärt ist die Ursache für den großen Palastbrand in Knossos
um 1400 v. Chr., der das Ende der kretischen Kultur markiert.
Mykenische Kultur
Die mykenische Kultur blühte zur
Zeit des Untergangs der kretischen Minoer auf. Namensgebend wurde ihr wichtigstes
Machtzentrum Mykene, dessen Ruinen südlich von Korinth liegen. Sie war
im gesamten südlichen Raum Griechenlands verbreitet und strahlte im Norden
bis Thessalien, im Westen bis Ionien aus. Definierendes Element für diese
Frühgriechen sind die Schachtgräber, die erstmals um 1600 v. Chr.
angelegt wurden. Ihre Grabbeigaben zeugen vom immensen Reichtum der Oberschicht.
Die Herkunft der Träger der mykenischen Kultur ist nicht genau bekannt.
Sie besaßen aber sicher einen hohen technischen Wissensstand, insbesondere
in der Metallverarbeitung, die ihnen auch eine militärische Überlegenheit
über ihre Nachbarn sicherstellte. Ihr Reichtum basierte wahrscheinlich
anfangs auf kriegerischen Raubzügen, die jedoch zugunsten von Handelsbeziehungen
reduziert wurden. Neben Mykene prägte sich die Kultur besonders stark
in Pylos, Theben, Tiryns, Athen, Iolkos und Orchomenos aus. Die Mykener erbten
gewissermaßen die kretische Seeherrschaft und unterhielten Handelskontakte
mit Sizilien, Süditalien, Zypern, Kleinasien, Syrien, Palästina
und Ägypten. Um 1200 v. Chr. wurden mykenische Burgen geplündert
und von unbekannten Invasoren niedergebrannt. Die Kultur verschwand im Rahmen
der einsetzenden Ägäischen und Dorischen Wanderungen.
Religion
Beide Kulturen weisen eine
Reihe von Ähnlichkeiten in Kunst, Religion und Architektur auf. In beiden
Kulturen spielte der Palast als Zentrum der Macht eine große Rolle.
Auf Kreta waren die Bauten künstlerischer und offener ausgelegt. Im mykenischen
Kulturkreis waren die Herrschaftszentren in aller Regel stark befestigt und
in strategisch günstigen Hochlagen angesiedelt. Auf Kreta wurden die
Menschen in Göttergestalt verehrt, Kultbilder fehlen völlig. Viele
der Götter waren weiblich, ebenso wie viele der Tonfiguren und Darstellungen
auf Fresken und Steinsiegeln. Wahrscheinlich besaßen die Frauen in der
Gesellschaft einen hohen Rang. Heiliges Tier war der Stier, der mittels einer
häufig dargestellten Doppelaxt als Opfer getötet wurde. Regelmäßig
fanden Stierspiele statt, die wahrscheinlich kultische Bedeutung hatten und
in deren Verlauf Frauen und Männer akrobatische Kunststücke auf
den frei laufenden Tieren absolvierten. Die Festspiele sind auf Vasen dokumentiert.
In Mykene findet sich ebenfalls in religiösen Darstellungen die Doppelaxt.
Dennoch entwickelt sie sich weit gehend eigenständig und nimmt die griechische
Mythologie voraus. Zeus, Hera, Ares und Athena werden als Götter genannt.