Während des Fastenmonats Ramadan werden mehr als 400 Menschen Opfer von Terroranschlägen und Massakern fundamentalistischer Islamisten, die vermutlich zumeist der Bewaffneten Islamischen Gruppe (Groupe Islamique du Salut, GIA) angehören. Seit der Annullierung des Kommunalwahlsiegs der Islamischen Heilsfront (FIS) und dem Verbot der Organisation bekämpfen die Terroristen das Regime, das mit autoritären Maßnahmen der Lage Herr zu werden sucht. Der Bürgerkrieg forderte nach Schätzungen bislang mehr als 100 000 Menschenleben. Im November 1996 hatte die Bevölkerung in einer Volksabstimmung einer Verfas-sungsreform zugestimmt, die religiöse Parteien verbietet und dem Staatspräsidenten Liamine Zeroual mehr Befugnisse einräumt. Während des folgenden, am 30. 12. 1997 beginnenden Ramadan werden in Algerien erneut mehr als 1000 Menschen umgebracht. Außer islamistischen Untergrundkämpfern geraten zunehmend auch Teile der Armee und Polizeieinheiten in Verdacht, an den Exzessen, bei denen oft ganze Dörfer ausgelöscht werden, beteiligt zu sein.
Der Islam, die jüngste der Weltreligionen, entstand erst im frühen 7. Jahrhundert in einem Gebiet, das zu den unwirtlichsten der Erde zählt: in einer heißen, ausgedörrten Landschaft, die sich eine Million Quadratkilometer weit zwischen Asien und Afrika erstreckt.
Im Ursprungsland des Islam lebten im 6. und 7. Jahrhundert überwiegend nomadisierende Beduinen unter einfachsten Bedingungen; zwischen ihren Stämmen herrschte häufig Blutfehde. Die drei bedeutenden Städte Nordarabiens lagen alle im gebirgigen Landstrich Hedjas, zwischen Rotem Meer im Westen und der großen Wüste im Osten, nämlich Jasrib (das spätere Medina), Taif und Mekka. Wegen seiner verkehrsgünstigen Lage (Knotenpunkt des Karawanenhandels) war Mekka die blühendste dieser drei Städte. Führende Bürger gehörten der Koraischiten-Sippe an, die in Mekka regierte. Zu ihrem Wohlstand trugen u. a. die Pilger bei, die zur Kaaba, der heiligsten Stätte der Araber, reisten. Dort wird noch heute der Schwarze Stein (ein Meteorit) von den Muslimen als heilig verehrt. Allah, später einziger Gott der Muslime, war damals eine der Hauptgottheiten Mekkas, wo noch etwa 300 weitere Götter und Göttinnen angebetet wurden.
In Mekka wurde um 570 Mohammed als Sohn eines verarmten Koraischiten geboren. Im Jahr 610 erschien ihm auf dem Berg Hira der Erzengel Gabriel, der ihm verkündete, Mohammed sei der Apostel und Gesandte Gottes. Nach anfänglichem Zweifel begann Mohammed 613 in Mekka öffentlich zu predigen, was der Engel ihm verkündet hatte, u. a., dass Allah der alleinige Gott ist, vor dem alle Gläubigen gleich sind. Mohammeds Anhänger nannten diese neue Lehre „Islam“ („Ergebung in den Willen Gottes“). Mit seinen Predigten gab Mohammed den armen Beduinen neue Perspektiven. Galt bislang nur Reichtum als Maßstab des Erfolges, so machte der Islam auch den Armen Hoffnung auf ein besseres dies- und vor allem jenseitiges Leben. Die reichen Koraischiten Mekkas bekämpften dagegen die neue Lehre, weil sie ihre Lebensweise in Frage stellte. Daher verließ Mohammed 622 Mekka in Richtung Jasrib, das nun den Namen „Medina“ (Stadt des Gesandten) erhielt. Dieser Auszug Mohammeds, „Hedschra“ genannt, gilt als Beginn der islamischen Zeitrechnung.Mohammed verkündete auch soziale und gesetzgeberische Richtlinien. So verbesserte er die Stellung der arabischen Frau (z. B. Reduzierung der bis dahin unbeschränkten Polygamie auf eine Ehe mit vier Frauen, die alle gleich gut zu behandeln sind).
In vielen Aussagen des Koran, des heiligen Buches der Muslime (das Wort Gottes, vermittelt durch Mohammed), finden sich Entsprechungen zum Alten und Neuen Testament. Das hängt damit zusammen, dass der Islam sich nicht als ganz neuen Glauben, sondern als endgültige Offenbarung nach den Vorläufern der jüdisch-christlichen Religionen verstand. Schon bald gewann Mohammed Anhänger unter kriegerischen Beduinenstämmen, die durch den gemeinsamen Glauben ihre Stammesrivalitäten überwanden. Der Islam entwickelte sich zur Grundlage eines theokratischen Gemeinwesens, dessen sendungsbewuße Militanz sich zunächst gegen die Koraischiten Mekkas richtete, das 630 erobert und geistiges Zentrum des Islam wurde. Im Jahr 632 starb Mohammed. Es war ihm gelungen, die jüdisch-christliche Tradition eines einzigen Gottes und ein unterschwellig vorhandenes arabisches Nationalgefühl zu einen.
Fünf rituelle Pflichten, die „fünf Säulen des Islam“, bestimmen das Leben eines Gläubigen bis zum heutigen Tag: der Glaube an den einen Gott, dessen Prophet Mohammed ist; das fünfmal täglich zu verrichtende Gebet; das Geben von Almosen (Zakat), wodurch der verbleibende Rest des Besitzes „gereinigt“ wird; das Fasten im Monat Ramadan und schließlich die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch), die jeder Muslim – falls er finanziell und körperlich dazu in der Lage ist – einmal in seinem Leben unternehmen soll. Das Erlebnis von Einheit und Stärke, das aus der Pilgerfahrt resultiert, trug wesentlich dazu bei, das arabische Reich zu einigen. Nach dem Tod des Propheten entwickelte sich die religiöse Gemeinschaft des Islam durch Eroberungen zu einem machtvollen politischen Reich, in das die Muslime in kurzer Zeit Palästina, Syrien, Ägypten und fast ganz Persien eingliederten. Die einheimische Bevölkerung in diesen Gebieten empfing die Eroberer als Befreier von der byzantinischen und persischen Herrschaft. Die Araber ließen die bestehenden Verwaltungsorganisationen weit gehend unangetastet. Angehörigen der „Schriftreligionen“ (Juden, Christen, Zarathustra-Anhänger) wurde gegen eine Kopfsteuer Religionsfreiheit gewährt. Mit der Eroberung im Zeichen des Islam ging also keine Zwangsbekehrung einher.
Die ersten vier „rechtgeleiteten“ Kalifen (Nachfolger Mohammeds), die das goldene Zeitalter des Islam begründeten, waren Abu Bakr, Omar I., Othman und Ali Ibn Abi Talib, dem sich aber mit Moawija I. ein Gegenkalif entgegenstellte. Die Anhänger Alis, die Schiiten, spalteten sich ab. Ihre islamische Konfession ist heute vor allem im Iran beheimatet. Moawija begründete die Omaijaden-Dynastie (661–750) mit der Hauptstadt Damaskus. Unter den Omaijaden breitete sich der Islam nach Nordafrika aus. 711 setzten die Araber bei Gibraltar nach Europa über und eroberten fast die gesamte Iberische Halbinsel. Im selben Jahr erreichten sie im Osten Indien. Nachdem innere Konflikte die Omaijaden-Dynastie jahrzehntelang geschwächt hatten, wurde sie durch die Dynastie der Abbasiden abgelöst (750–1258), die von ihrer Hauptstadt Bagdad aus das islamische Reich 500 Jahre lang regierten. Unter ihnen ebbten die Eroberungskriege ab, und das Reich lebte in relativem inneren und äußeren Frieden. Der Islam hatte sich als religiöse und politische Macht durchgesetzt.