Beunruhigt von der Abwanderung ihrer qualifiziertesten Arbeitskräfte, traf die DDR-Führung im Zusammenspiel mit ihren östlichen Verbündeten 1961 eine folgenschwere Entscheidung: Sie zog eine Mauer durch die Stadt Berlin und einen Todesstreifen durch das ganze Land.

Ziel der Abriegelung war, den Bewohnern der DDR und Ostberlins die Flucht nach Westberlin unmöglich zu machen. Der ständige Flüchtlingsstrom hatte die DDR durch Arbeitskräftemangel in große wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht.
81 Grenzübergänge
Für die Bevölkerung der geteilten Stadt hatte der Mauerbau einschneidende Folgen. Täglich überschritten vor dem Mauerbau rd. 60 000 Grenzgänger die Demarkationslinie, um ihrer Arbeit im anderen Teil der Stadt nachzugehen (49 000 Ostberliner arbeiteten in Westberlin, 10 000 Westberliner in Ostberlin). Außerdem bestanden bei etwa 70 % der Westberliner familiäre Beziehungen zu Ostberlinern. Durch den Mauerbau wurden beide Teile der Stadt hermetisch voneinander abgeriegelt. Die meisten der 81 Grenzübergänge wurden geschlossen. Westberliner durften den Ostsektor nur noch unter Vorlage eines Passierscheins betreten. Für Ostberliner blieb die Grenze geschlossen. Einzig zur Erledigung der eng definierten "dringenden Familienangelegenheiten" und für Rentner, denen ab 1964 jährlich eine Reise in die Bundesrepublik freigestellt war, wurde eine Ausnahme gemacht. Der Mauerbau weckte im Westen eine Welle von Empörung. Doch es sollte bis zum 9. November 1989 dauern bis die DDR die Grenzübergänge öffnete und alle Reisebeschränkungen aufhob.
Die Krise um Berlin 1958 bis 1961

Separatfrieden mit der DDR
Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow sprach am 17. 2. 1959 in Tula erstmals davon, dass die UdSSR im Fall einer Weigerung der Westmächte, einen deutschen Friedensvertrag abzuschließen, mit der DDR einen Separatvertrag abschließen würde. Auf einer Außenministerkonferenz der drei Westmächte und der UdSSR in Genf (11.5.-20. 6. 1959) gelang es den Teilnehmern nicht, eine Lösung für das Berlin-Problem zu finden. Am 18. Mai 1960 drohte Chruschtschow auf einer Gipfelkonferenz in Paris dem US-amerikanischen Präsidenten Eisenhower erneut mit dem Abschluss eines Separatfriedens mit der DDR.
Anfang 1961 zeichnete sich mit dem Amtsantritt des neuen US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy scheinbar ein Wandel zugunsten einer flexibeleren Außen- und damit auch Berlinpolitik ab. Trotzdem forderte der Politische Beratende Ausschuss des Warschauer Pakts am 29. 3. 1961 die Entmilitarisierung der Westsektoren. Die Forderung Ulbrichts nach einer Sperrung der Sektorengrenze lehnte man allerdings noch ab. Am 3. und 4. Juni 1961 trafen Kennnedy und Chruschtschow zu einem Gipfeltreffen in Wien zusammen. Dabei überreichte Chruschtschow zwei Memoranden, eines zur Abrüstung, ein weiteres zur Berlinfrage. Die UdSSR kündigte in diesem Memorandum den Abschluss eines Separatfriedensvertrages mit der DDR bis Ende 1961 an. Mit diesem Vertrag sollten dann der DDR die vollen Souveränitätsrechte über die Zugangswege nach Berlin übertragen werden. Ulbricht begrüsste am 15. Juni die sowjetischen Vorschläge und bestritt die Absicht, eine Mauer durch Berlin zu bauen.
Am 25. Juli 1961 erläuterte Kennedy in einer Fernsehansprache den außenpolitischen Kurs seiner Regierung. Sie hatte für Berlin drei Essentials entwickelt:
1. Präsenz der Westmächte
2. Freier Zugang zur Stadt
3. Freiheit und Lebensfähigkeit der Bewohner Westberlins
Als sich daraufhin vom 3. bis 5. August die Ersten Sekretäre der kommunistischen Parteien der Warschauer Paktstaaten in Moskau trafen, erörterten sie als Lösungsmöglichkeiten der Berlinfrage:
1. Sperrung der Luftkorridore
2. Bau einer Mauer
3. Absperrung Ostberlins von der übrigen DDR
Die Entscheidung fiel zugunsten des Mauerbaus, was die Entschlossenheit der USA, ihre Präsenz in Berlin aufrechtzuerhalten, noch am wenigsten tangierte.
Innere Probleme der DDR
Die Berlinkrise von 1958 bis 1961 war quasi das außenpolitische Spiegelbild der inneren Probleme der DDR in dieser Zeit.

Unzufriedenheit mit der Wirtschaftslage und der zunehmenden politischen Unterdrückung bewog viele Menschen die DDR zu verlassen. Allein 1951 flüchteten 165 000 DDR-Bewohner in die Bundesrepublik. Um diesen Flüchtlingsstrom einzudämmen, riegelte die DDR im Mai 1952 die 1400 Kilometer lange Zonengrenze hermetisch ab. Ein zehn Meter breiter Grenzstreifen wurde abgeholzt und umgepflügt, dahinter wurden ein 500 m breiter "Schutzstreifen" und eine fünf Kilometer breite "Sperrzone" angelegt, die nur mit besonderer Genehmigung betreten werden durften. Nur politisch "zuverlässige" Personen durften ihre Wohnungen in der Sperrzone behalten; die anderen wurden mit brutaler Gewalt aus ihren Häusern geholt und ins Innere der DDR "umgesiedelt". In den folgenden Jahren bis zum Ende der DDR wurden die Sperren immer weiter ausgebaut; es entstanden Wachtürme, Bunker, mehrfache Metallgitterzäune, Selbstschussanlagen und Lichtsperren. Den Wachdienst versahen 50 000 Mann Grenztruppen, die ab 1961 zur Nationalen Volksarmee gehörten. Wer trotz allem die Flucht wagte, setzte sein Leben aufs Spiel. Der einzige sichere Fluchtweg blieb vorerst die noch offene Sektorengrenze in Berlin.
