Bücher zu lesen ist manchen längst nicht genug. Immer mehr Menschen begeben sich auf die Reise zu den realen Schauplätzen ihrer Lieblingsromane. Dort erleben sie nicht nur Teile der Geschichten nach, sondern treffen auch auf Gleichgesinnte: das perfekte Rezept für eine abenteuerliche und erinnerungswürdige Reise. Welche Faszination dieser besonderen Form des Geschichten-Erlebens innewohnt, hat nun eine Forscherin näher beleuchtet.

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Pilgerziel für Joyce-Fans: Dieser alte Festungsturm im Südosten Dublins ist der Ausgangspunkt für die Odyssee Blooms durch die irische Hauptstadt. William Murphy / CC BY-SA 2.0
Von Buddenbrook bis Holmes

William Murphy / CC BY-SA 2.0
In den Straßen Dublins folgen die Literaturtouristen der Fährte von Leopold Bloom aus James Joyce` Klassiker „Ulysses“. In Lübeck ist das Buddenbrook-Haus eine beliebte Anlaufstelle für Literaturfans, das Zuhause der fiktiven Buddenbrook-Familie aus Thomas Manns gleichnamigem Roman. Und in London erleben Besucher noch einmal das wahre Sherlock Holmes-Feeling bei einem Spaziergang zur Baker Street 221b.

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Hohe Erwartungen - hohes Enttäuschungspotential
Doch was passiert, wenn Literaturreisende Roman-Schauplätze besuchen? Wie reagieren sie? "Das hängt stark davon ab, wie die jeweiligen Orte in der Literatur geschildert werden – und wie es dort tatsächlich aussieht", erklärt Knipp. Bei Joyce werden beispielsweise zahlreiche Gebäude oder Straßen zwar konkret benannt, aber kaum näher beschrieben. Die Literaturtouristen hätten daher keine festen Vorstellungen im Kopf und seien offen für das, was sie vor Ort erwartet.

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Wenn sich jemand auf die Spuren seiner Romanhelden begibt, möchte er oder sie vor allem den fiktiven Figuren nahe sein und das Gelesene auch körperlich nacherleben, wie Knipp durch Befragungen herausgefunden hat. Die Trips haben also eine starke emotionale Komponente und bergen daher immer auch ein gewisses Enttäuschungspotential in sich.
Ein starkes Gruppengefühl
Der Abgleich des Gelesenen mit der Realität ist aber nur ein Aspekt, der Literaturfans bei ihren Reisen antreibt, wie die Forscherin betont: "Auch das Gemeinschaftserlebnis ist wichtig. Mich direkt am Schauplatz eines Romans mit anderen Lesern auszutauschen ist etwas Anderes, als allein mit meinem Buch im stillen Kämmerlein zu sitzen." Bei den literarischen Stadtrundgängen oder Wanderungen findet daher regelmäßig ein reger Austausch und eine Art Vergemeinschaftung unter den Teilnehmern statt.