Oktoberrevolution und Kommunismus 1919–1929
Militärische Fehlschläge
und die Unzufriedenheit mit dem Regime von Zar
Nikolaus II. lösten im März 1917 Massenstreiks
in der russischen Hauptstadt Petrograd aus. Der Zar dankte ab, eine bürgerliche
provisorische Regierung etablierte sich. Am 25./26. 10. 1917 (7./8. 11. 1917)
gelang es den Bolschewisten in der Oktober-Revolution die Regierung zu stürzen
und unter Führung Wladimir I.
Lenins den ersten kommunistisch geführten Staat
der Welt zu errichten.
Der bolschewistische Umsturz
Die neue Regierung sah sich nach der
Revolution einer schwierigen Lage gegenüber. Russland befand sich nach
wie vor im Krieg mit den Mittelmächten, und im Land formierten sich die
zarentreuen Generale. Als eine der ersten Maßnahmen wurden die Dekrete
„Über den Frieden“ und „Über den Boden“
erlassen, mit denen den Mächten ein sofortiger Frieden und den Bauern
eine Aufteilung des Großgrundbesitzes angeboten wurde. Als im Frieden
von Brest-Litowsk am 3. 3. 1918 der Krieg gegen die Mittelmächte endete,
sahen sich die neuen Machthaber im russischen Bürgerkrieg mit dem bewaffneten
Widerstand der „Weißen Truppen“ konfrontiert, die sich
gegen die bolschewistische Staatsführung erhoben. Gleichzeitig griffen
seit März 1918 konterrevolutionäre westliche Truppen in den Bürgerkrieg
ein.
Der Bürgerkrieg
Der „Kriegskommunismus“
türzte die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR)
in eine schwere innere Krise. Statt der proletarischen Demokratie und der
klassenlosen Gesellschaft setzte sich der Führungsanspruch der Bolschewisten
diktatorisch durch. Überstürzte Sozialisierungsmaßnahmen und
die Belastungen durch die anhaltenden Kampfhandlungen führten zu einer
zentralisierten Verwaltungswirtschaft und lösten eine katastrophale Hungersnot
aus, der Millionen Menschen zum Opfer fielen. Ende 1920 erkämpften sich
die Bolschewisten den endgültigen Sieg im Bürgerkrieg. Ihr Führungsstil
und die Wirtschaftsmisere ließen den Widerstand gegen die neue Führung
jedoch nicht abreißen. Im März 1921 protestierten die Kronstädter
Matrosen gegen die Regierung. Ihr Aufstand wurde blutig niedergeschlagen,
die Fronten innerhalb der Partei verhärteten sich. Jede Opposition gegen
die „Generallinie“ wurde nun als „Fraktionismus“
verdammt. Bis Juni 1921 wurde ein Viertel der Parteimitglieder ausgeschlossen.
Wirtschaftsreformen
Die „Neue Ökonomische Politik“,
die Lenin nach dem Kronstädter Aufstand durchsetzte, verbesserte die
Wirtschaftslage und beruhigte die inneren Spannungen. Lenin wollte vor allem
die völlig verarmte Bauernschaft für die Partei gewinnen, indem
er der sozialisierten verstaatlichten Wirtschaft den freien Handel entgegensetzte.
Der Kapitalismus durfte jedoch nur unter strenger staatlicher Kontrolle Einzug
in die russische Wirtschaft halten. Statt der bisher willkürlichen Abgabenregelung
entrichteten die Bauern jetzt eine feste Naturalsteuer, der freie Binnenhandel
wurde wieder eingeführt, Handwerker und Kleinbetriebe konnten privatwirtschaftlich
produzieren und ausländisches Kapital investiert werden. Großindustrie
und Außenhandel blieben jedoch in staatlicher Hand.
Von Lenin zu Stalin
Die Gründung der Sowjetunion (UdSSR)
vollzog sich Ende 1922 als Zusammenschluss der RSFSR mit der transkaukasischen,
der ukrainischen und der weißrussischen sozialistischen Sowjetrepublik.
Die Durchsetzung dieser Union stand bereits unter dem Einfluss des Generalsekretärs
der Kommunistischen Partei, Josef W.
Stalin, der im Gegensatz zu Wladimir I. Lenin eine Unterordnung der
Republiken unter die russische Republik anstrebte. Lenin gelang es nicht mehr,
Stalins Entmachtung durchzusetzen. Als er am 21. 1. 1924 verstarb, entbrannte
zwar noch ein kurzer Kampf um die Nachfolge. Stalin konnte sich jedoch bald
als Alleinherrscher und Führer der UdSSR behaupten. 1925 verdrängte
er seinen Widersacher Leo D.
Trotzki als Volkskommissar für Verteidigung aus
seinem Amt.
Der Weg in die Dikatatur
Stalins Herrschaft beendete die Reformen
Lenins endgültig. Er forcierte mit größter Härte die
Kollektivierung der Landwirtschaft, die sich gleichermaßen gegen Großgrundbesitzer
und Bauern richtete. Die „Neue Ökonomische Politik“ Lenins
wurde 1928 vom ersten Fünfjahresplan der UdSSR abgelöst. Stalin
hatte es sich, entsprechend seiner These vom „Aufbau des Sozialismus
in einem Lande“, zum Ziel gesetzt, die UdSSR in eine der mächtigsten
Industrienationen zu verwandeln, um sie auf diese Weise wirtschaftlich und
politisch unabhängig zu machen. Die ökonomischen Folgen seines Konzepts
stürzten die sowjetische Bevölkerung erneut in eine Hungerkatastrophe.Außenpolitisch
gelang es Stalin, die UdSSR aus ihrer internationalen Isolation zu lösen.
1924 wurde sie zunächst von Großbritannien diplomatisch anerkannt.
Bald darauf schlossen sich Italien, Österreich, Griechenland, Norwegen,
China, Dänemark, Ungarn und Frankreich an. 1925 folgte die Anerkennung
durch Japan. Mit Terror und Gewalt ging Stalin gegen jeden vor, der seinem
Führungsanspruch entgegenstand. Die parteiinterne Demokratie wurde zur
Farce, die Geheimpolizei zum Instrument seiner Alleinherrschaft. Mit Massenverhaftungen,
Schauprozessen und Verbannungen in Straflager brach die stalinistische Herrschaft
in den 30er Jahren jeden Widerstand. Die Ermordung seines Weggefährten
Sergei M. Kirow war 1934 für Stalin ein willkommener Anlass für die „große
Säuberung“, bei der Millionen von Menschen ums Leben kamen. Die
Herrschaft des Proletariats, die die Revolutionäre von 1917 erkämpfen
wollten, war endgültig der totalen Diktatur gewichen.