Helmut Kohl – Kanzler der deutschen Einheit, Machtmensch, Strippenzieher, CDU-Dominator, in diverse Affären verstrickt, von Parodisten wie kein Zweiter aufs Korn genommen und vom Satiremagazin Titanic als „Birne“ verspottet. Nach langer Krankheit ist der ewige Kanzler, der wie kaum ein anderer polarisierte, am 16. Juni 2017 im Alter von 87 Jahren in seiner Heimatstadt Ludwigshafen gestorben.
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Helmut Kohl
Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sitzt am 27.09.2012 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Der Politiker nahm zum 30. Jahrestag seiner Wahl zum Bundeskanzler an einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung teil.
Picture-Alliance GmbH, Frankfurt/Wolfgang Kumm
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Helmut Kohl
wissenmedia, Gütersloh
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Kanzlerwechsel 1982
Bundestagsmitglieder applaudierend stehend, während Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) seinem Nachfolger Helmut Kohl (CDU) zu dessen Wahl gratuliert.
Picture-Alliance GmbH, Frankfurt/Jörg Schmitt
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Erster Tag der Deutschen Einheit
Bundeskanzler Helmut Kohl (2.v.r.) winkt am 3.10.1990 zum Geläut der Freiheitsglocke von der Freitreppe des Berliner Reichstages. Neben Kohl (l-r) Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Hannelore Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Am 31. Oktober 1996 wird Helmut Kohl in seinem vierzehnten Dienstjahr die Amtszeit Konrad Adenauers um einen Tag übertreffen. Damit ist der CDU-Parteivorsitzende der am längsten amtierende Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Durch das Mißtrauensvotum gegen den damaligen Amtsinhaber Helmut Schmidt (SPD) war Kohl am 1. Oktober 1982 erstmals als Bundeskanzler vereidigt worden.
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Helmut Kohl
Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) sitzt am 27.09.2012 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Der Politiker nahm zum 30. Jahrestag seiner Wahl zum Bundeskanzler an einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung teil.
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Der Oggersheimer, der Mann aus der Pfalz, hat einige Rekorde in seiner politischen Laufbahn aufgestellt, nicht nur als der bislang am längsten amtierende Bundeskanzler. Kohl war auch bis dato jüngster Parlamentarier im Landtag von Rheinland-Pfalz, jüngster Fraktionschef der Bundesrepublik, später, mit nur 39 Jahren, als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Deutschlands jüngster Regierungschef. Und über wen kann man schon sagen, dass er eine ganze Ära geprägt hat. Nicht immer glanzvoll, aber ein Blick zurück stimmt ja manchmal auch milde. Von 1982 bis 1998 saß Helmut Kohl im Kanzleramt, wobei es zwei Epochen in dieser Ära gab: die Zeit bis zum Mauerfall und nach der Einheit. Als Deutschland noch geteilt war, ging es um viel Innenpolitik, eine geistig-moralische Wende, die der selbsternannte „Enkel Adenauers“ anstoßen wollte, den Protest gegen Atomwaffen, die 35-Stunden-Woche und natürlich die Grünen. Nach der Einheit war Kohl der international gefeierte Einheitskanzler, der den Mantel der Geschichte ergriffen und die Zeichen der Zeit erkannt hatte – kein Paradigmenwechsel, aber die Sicht sowie die Schwerpunkte hatten sich auf einmal verschoben.
Blick zurück - geistig-moralische Wende, Saumagen und Machtpolitik
Aber stopp – zunächst ein Blick zurück: Geboren wurde Helmut Kohl am 3. April 1930 als jüngstes von drei Kindern in Ludwigshafen. Das Elternhaus war konservativ-katholisch. Der Krieg prägte die ersten Jahre – Kinderlandverschickung, Rückkehr in die Heimatstadt im letzten Kriegsjahr, Entbehrungen, Schule, 1950 schließlich das Abitur mit anschließendem Studium der Geschichte und Rechtswissenschaften in Frankfurt am Main, danach in Heidelberg, Magister, Promotion.
Helmut Kohl
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In den 50er Jahren war Deutschland Wirtschaftswunderland – die Industrie boomte und bot jungen und gut ausgebildeten Kräften hervorragende Aufstiegschancen. Helmut Kohl war obendrein schon früh parteipolitisch vernetzt. Bereits kurz nach dem Krieg war er in die CDU eingetreten und schon bald Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der Landes-CDU. Ende der Dekade heuerte Kohl als Referent beim Verband der Chemischen Industrie in Ludwigshafen an. Auch privat ging’s vorwärts: 1960 heiratete er Hannelore Renner. Das Paar bekam zwei Söhne. Das Leben von Hannelore Kohl endete tragisch: 2001 nahm sie sich – nach krankheitsbedingter Leidenszeit – das Leben.
Kohl, mittlerweile Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz und rasch Fraktionsvorsitzender, startete durch. Der machtbewusste Jungpolitiker galt als Reformer und Modernisierer. Klug scharte er eine Gruppe Gleichgesinnter um sich, baute ein Netz auf und die eigenen Polit-Karriere aus. Landesvorsitzender, ab 1969 Ministerpräsident seines Landes als Nachfolger des 21 Jahre lang regierenden Peter Altmeier. „Mit Kohl, dem emporstrebenden Manager der Christenunion, soll zwischen Rüben und Reben eine neue Zeit beginnen“, schrieb das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Das System Kohl funktionierte – wie auch der Spiegel schon früh erkannte: „Schnoddrig und hemdsärmelig im Umgang mit der Macht, formte er die 49köpfige CDU-Fraktion zu einer treuen Schar von Vollzugsparlamentariern. Und die Treuesten wurden nun auch mit Ämtern belohnt.“
Kanzlerwechsel 1982
Bundestagsmitglieder applaudierend stehend, während Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) seinem Nachfolger Helmut Kohl (CDU) zu dessen Wahl gratuliert.
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Helmut Kohl wurde CDU-Parteivorsitzender (1973-1998), Bundestagsabgeordneter (1976-2002), schließlich Vorsitzender der Fraktion (1976-1982). Franz Josef Strauß, den polternden und scharfzüngigen Kontrahenten aus Bayern, hielt er erstaunlicherweise und mit viel Ausdauer stets auf Abstand, innenpolitische Widersacher gab es schon bald nicht mehr. Nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt wurde er 1982 dessen Nachfolger, war am Ziel seiner Träume.
Es war durchaus eine Zeitenwende. Nach dem kantigen und wortgewandten Hanseaten, der als Weltökonom das große Ganze im Blick hatte, hielt nun – so schien es – die Provinz Einzug. Der sechste Kanzler der Bundesrepublik wirkte nicht nur aufgrund seiner Körpergröße oft tapsig, seine pfälzisch gefärbte Aussprache und die Wahl seiner Worte boten reichlich Angriffsfläche: „Geistig-moralische Wende“ und die „Gnade der späten Geburt“ gehören zur Ära Kohl wie der Saumagen zur Pfalz.
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