Neuordnung in Krieg und Revolution1914–1918
Mit dem Ersten Weltkrieg weitete
sich erstmals ein Krieg vom europäischen Schauplatz zu einem weltweit
geführten Kampf aus. Gegenüber standen sich die Mittelmächte
– Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Italien (seit 1915 Gegner
seiner Bündnispartner), das Osmanische Reich und Bulgarien – und
die Entente aus Großbritannien, Frankreich und Russland. Ihr schlossen
sich die USA und zahlreiche europäische Verbündete an. Der erste
„technisierte Krieg“ erreichte mit dem Einsatz neuer Waffen,
wie Tanks und Flugzeugen sowie dem chemischen Kampfstoff Giftgas, nie gekannte
Dimensionen: Er führte die Schrecken einer Vernichtungsstrategie vor
Augen, deren Schlachten 8,5 Mio. Menschen zum Opfer fielen. Er bezog die Zivilbevölkerung
durch Lebensmittelrationierungen, Frauenarbeit und die Bombardierung von Städten
aus der Luft in einem verstärkten Ausmaß ein.
Konsequenzen des Krieges
Politische Umwälzungen vollzogen
sich während des Krieges vor allem in den Monarchien des Deutschen Reiches,
Österreich-Ungarns, und Russlands sowie im Osmanischen Reich. Die Oktober-Revolution
in Russland 1917 setzte erstmals sozialistische Ideen in die Praxis um. Im
Deutschen Reich und in den Nachfolgestaaten der Habsburger Monarchie erfolgte
der Übergang zu demokratisch-republikanischen Staatsformen. Das Osmanische
Reich beendete seine Existenz als Großmacht. Der Eintritt der USA in
den Krieg (1917) verschob das Schwergewicht der Weltpolitik. Europa verlor
seine Hegemonialstellung. Die USA stiegen zur führenden Weltmacht auf.
Im Fernen Osten konnte sich Japan während des Krieges als dominierende
Macht etablieren und seine imperialistischen Bestrebungen auf China richten.
In den Kolonialländern der europäischen Großmächte, vor
allem in Afrika, begann der Kampf um die Unabhängigkeit.
Voraussetzungen
Die Hintergründe für den Ausbruch
des Ersten Weltkrieges lagen in einer Vielzahl von Interessengegensätzen
und Spannungen zwischen den europäischen Mächten, die aus der wirtschaftlichen
Rivalität der führenden Industrienationen, dem Kampf um Rohstoffquellen
und Absatzmärkte für Kapital in nicht-industrialisierten Ländern,
dem Streben nach Kolonialbesitz und einem wachsenden Nationalismus resultierten.
Das Deutsche Reich trat in den Wettlauf um die Aufteilung der Welt erst ein,
als die europäischen Großmächte Großbritannien und Frankreich
ihren Besitz bereits unter sich aufgeteilt hatten. Es fühlte sich, gemessen
an seiner Wirtschaftsmacht, zurückgesetzt und drängte auf Veränderung.
Der Weg in den Krieg
Eine Reihe von Krisen und begrenzten
Auseinandersetzungen gingen dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges voran und
machten die Interessengegensätze deutlich, die sich seit 1900 zunehmend
verschärften: Flottenrivalität zwischen Großbritannien und
dem Deutschen Reich seit 1898, Marokko-Krisen von 1905/06 und 1911 zwischen
dem Deutschen Reich und Frankreich, bosnische Annexionskrise von 1908/09,
während der die Expansion Österreich-Ungarns auf dem Balkan zu Auseinandersetzungen
mit Russland führte, Balkankriege von 1912 und 1913, die das gewachsene
slawische Nationalbewusstsein und Unabhängigkeitsstreben demonstrierten.
Die Spannungen zwischen den europäischen Mächten bewirkten den Abschluss
einer Reihe von Defensivbündnissen. Jedoch setzte sich die Auffassung
immer mehr durch, die bestehenden Spannungen ließen sich nur noch durch
einen Krieg lösen, was überall zu verstärkter Rüstung
und damit zu Kriegsbereitschaft führte.
Kriegsgegner
Während des Kriegsverlaufs
ging die strategische Initiative zunächst von den Mittelmächten
aus, später lag sie zunehmend bei den Alliierten. An der Ost- und Südostfront
gelangen den Mittelmächten immer wieder Durchbrüche, im Westen erstarrte
die Front im verlustreichen Stellungskrieg. Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg
des Deutschen Reiches, der die Seeblockade Großbritanniens beenden sollte,
bewirkte den Eintritt der USA in den Krieg. Die Revolution in Russland und
der Friede von Brest-Litowsk (1918) brachten den Mittelmächten zwar eine
Entlastung der Ostfront, konnte ihre militärische Niederlage jedoch nicht
aufhalten. Das Ende des Krieges und die Kapitulation im Wald von Compiègne
bei Paris hinterließ vor allem auf Seiten des Militärs aber auch
in den konservativ-bürgerlichen Schichten des Deutschen Reiches eine
Stimmung, die bereits den Sprengstoff für die kommenden Jahrzehnte lieferte.
Den Trägern der neuen Republik warfen sie vor, den unbesiegten deutschen
Truppen „im Felde“ mit der Annahme des bedingungslosen Waffenstillstands
in den Rücken gefallen zu sein. Weder die Schuld am Ausbruch des Krieges
noch dessen Scheitern gestanden sie sich, ihren Kriegsgegnern oder ihren politischen
Widersachern im eigenen Lande ein.
Kriegsfolgen
Die militärische Niederlage, die
katastrophale Ernährungssituation, die diktatorische Regierungsweise,
die in der Arbeiterschaft seit den ersten Kriegsverlusten wachsende Opposition
gegen die herrschenden Schichten und ihre imperialistische Politik, die Forderung
nach politischer Gleichberechtigung und das Beispiel der russischen Revolution
(1917) führten im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn zu revolutionären
Unruhen, in deren Verlauf die Monarchien gestürzt und die Republiken
ausgerufen wurden. Die sozialdemokratischen Parteien wurden zu den Trägern
dieser neuen Demokratien. Neben ihnen gründeten sich während des
Krieges zuerst in Russland und im Deutschen Reich kommunistische Parteien.
Nach 1918 etablierten sie sich in fast allen europäischen Staaten. Der
Zerfall der traditionellen Werte durch Krieg und Revolution, Zweifel an der
Politik und den Grundsätzen der Vätergeneration prägten vor
allem die europäische Jugend. Als „verlorene“ Generation
schwankten sie zwischen der Suche nach neuen Autoritäten und der Opposition
gegen alles Althergekommene.