Ist die Entfernung der männlichen Vorhaut ein Ausdruck von Religionsfreiheit, oder handelt es sich dabei um Körperverletzung? Wiegt das Erziehungsrecht der Eltern schwerer oder das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit? Im Mai 2012 entschied das Kölner Landesgericht zugunsten des Kindes. Sein körperliches Wohlergehen habe Vorrang, deshalb sei die Beschneidung aus religiösen Gründen als Körperverletzung zu bewerten. Trotzdem ging der Arzt straffrei aus, denn die Rechtslage zum Thema ist bislang unklar. Der Angeklagte habe in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld“ gehandelt. Das Urteil erregte nicht nur in Deutschland, sondern auch international große Aufmerksamkeit. Schließlich handelt es sich bei der Beschneidung von Knaben um eine jahrtausendealte Praxis, die vor allem für Juden und Muslime zentraler Bestandteil ihrer religiösen Identität ist. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist weltweit insgesamt rund ein Drittel der männlichen Bevölkerung beschnitten, meist aus religiösen Gründen, teils aus medizinischen oder auch ästhetischen Gründen. Kritiker sprechen von atavistischen Sitten, einige gar von Genitalverstümmelung, ein Begriff, der bislang vor allem für die Beschneidung von Frauen und Mädchen verwendet wurde. Dieser Eingriff ist weitaus gravierender und wird von zahlreichen Staaten als Straftat verfolgt.
Beschneidung im Judentum (Brit Mila)

Rabbi Zoltan Radnoti (l) und der Vater des acht Tage alten Ruben, Gyula Ferencz-Kuna beten während der traditionellen jüdischen Beschneidung in der Bet Shalom Synagogue in Budapest
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